Qualitätsmanagement aus einem Guss

Für die Ruhl & Co GmbH bringen Audits keine Unruhe ins Unternehmen. Der Oberflächenveredler bildet sein Qualitätsmanagement integriert innerhalb eines geschlossenen Gesamtsystems ab.
Erschienen in WoMAG 11 / 2013

Qualitätsmanagement direkt im ERP-System: OMNITEC QM (Bildnachweis: © DOC RABE Media / Fotolia)

Bei jedem Audit steht die Prozesssicherheit des Lieferanten aufs Neue auf dem Prüfstand. Dies gilt in besonderem Maße für die Oberflächenveredelung. Ist das eigene Unternehmen adäquat aufgestellt, um Kundenanforderungen, gesetzliche Richtlinien sowie Branchenanforderungen an Qualitätsmanagementsysteme wie ISO TS 16949 im gewünschten Maße zu erfüllen? Für den Industriebeschichter Ruhl & Co. GmbH ist eines klar: Prozesssicherheit kann bei der Vielzahl an Vorschriften und Rahmenbedingungen nur gelingen, wenn alle Fertigungs- und QS-Prozesse, -Informationen und -Dokumentationen in einem geschlossenen System abgebildet sind.

„Mitgeltende Normen und kundenindividuelle Anforderungen eingeschlossen verwalten wir derzeit mehr als 800 Normen in verschiedenen Revisionsständen“, veranschaulicht Ruhl & Co-Geschäftsführer Frank Benner die Situation. „Ohne eine Softwarelösung, die diese Normen nicht nur verwaltet, sondern sie als zentrales ERP-System mit den in Bearbeitung befindlichen Artikeln und der Fertigung zusammenführt, könnten wir eine solche Vielzahl an Vorschriften heute gar nicht mehr zuverlässig berücksichtigen.“

Der Geschäftsführer des Wetzlarer Unternehmens spricht hier ein Dilemma an, in dem sich viele Lohnbeschichter derzeit befinden. Während die Unternehmen in moderne, leistungsfähige Produktionsmaschinen investieren, geben sie sich bei der Software-Infrastruktur noch mit viel Stückwerk und zergliederten Systemlandschaften zufrieden: Ein System zur Auftragsabwicklung, eins für die Qualitätssicherung, Office-Produkte zur Dokumentation von ermittelten Prüfergebnissen und ganz klassisch Ordner für die Archivierung von Normen.

Effizientes Qualitätsmanagement aber braucht ein geschlossenes System. Insellösungen verhindern die Durchgängigkeit von Prozessen mit bekannten Folgen: Informationen gehen verloren oder werden übersehen, Schnittstellen sind konfliktbelastet bzw. im schlimmsten Fall nicht vorhanden. Auditoren aber erkennen die Prozesssicherheit und Nachvollziehbarkeit eines Systems genau an der Verknüpfung und automatisierten Weitergabe von Informationen von der Norm über die Oberfläche bis zum Artikel und den damit verbundenen Prüflisten.
Ein führendes System für alle Daten

Ruhl & Co. setzt bei seiner Qualitätsplanung auf die vernetzte Dokumentation von Qualitätsdaten in einem führenden Betriebssystem. Dies hat das Unternehmen mit der ERP-Lösung OMNITEC der Karlsruher Softec AG umgesetzt. Das speziell für Oberflächenveredler entwickelte System ist bei Ruhl bereits seit 2005 im Einsatz. Kunden-, Anlagen- und Artikeldaten werden im Programm spezifiziert und sind daraufhin an allen erforderlichen Stellen abrufbar. Das Wissen ist nicht im Kopf oder auf den Schreibtischen einiger weniger Mitarbeiter gespeichert, sondern wird in den einzelnen Prozessabschnitten aktiv an die mit der Aufgabe betrauten Mitarbeiter herangetragen.

Bei der Verwaltung seiner Oberflächen legt Ruhl & Co. großen Wert auf eine eindeutige Spezifizierung. Da viele Kunden von Ruhl Automobilzulieferer sind, erfolgt die Spezifizierung im Regelfall nach den von den Automobilisten geforderten Beschichtungsnormen. So ist im Technologiemanagement des Programms beispielsweise als Oberfläche nicht Zink blau hinterlegt, sondern Zink blau entsprechend Norm Automobilist A, B oder C. Dass die Bezeichnung der Oberfläche und die damit verknüpften Normen schon voll den Vorgaben eines bestimmten Automobilisten entsprechen, wird von Automobilzulieferern und Auditoren zugleich geschätzt. Es ist ein wichtiges Indiz für kundenorientierte, durchgehende und abgesicherte Prozesse.

Hundertprozentige Normeneinhaltung

Als Beschichter sicherheitsrelevanter Teile hat eine hundertprozentige Normeneinhaltung für Ruhl & Co. höchste Priorität. Über die im ERP-System integrierte Normenverwaltung sind alle 800 Normen hinterlegt und mit den die Norm betreffenden Artikeln verknüpft. Jeder neue Revisionsstand wird auf Relevanz geprüft. Betreffen Teile von Normänderungen die Arbeit des Oberflächenveredlers, werden diese im System dokumentiert.

Dies stößt in den verwalteten Oberflächen, in Prüfplänen und Artikeln Folgeprozesse an, denn die Normen sind mit den Oberflächen und den Bearbeitungscodes verknüpft und wirken sich dadurch automatisch auf die Verfahren und Arbeitspläne aus. So können beispielsweise neu erforderliche Prüfungen direkt in den Prüfplan aufgenommen und auf Wunsch automatisch bei allen verknüpften Artikeln angelegt werden, oder aber sie werden per Einzelprüfung zugewiesen.

Der Oberflächenveredler stellt auf diese Weise nicht nur die Normkonformität seiner bearbeiteten Teile sicher. Er hat auch den in Audits geforderten Nachweis über Anpassung und Prüfung von Normen bereits erbracht.
Dies wurde der Ruhl & Co. GmbH in dem diesjährigen Rezertifizierungsaudit offiziell bestätigt: „ … Die dafür notwendigen Änderungen an der im Einsatz befindlichen Software Omnitec konnten sehr gut nachvollzogen werden, so dass sich die Festlegungen als wirksam und normkonform erwiesen haben.“

Neuteilprozesse – Höchste Produktqualität ab dem ersten Teil 

Neuteilprozesse gehören bei Ruhl zum Tagesgeschäft und werden über das ERP-System kundenspezifisch durchgeführt: Stammkunde A schickt eine Anfrage. Obwohl der Artikel noch nicht beauftragt ist, wird er mit allen vorhandenen Angaben, Normen etc. als Artikel im Angebotsstatus im System hinterlegt. Durch die langen Planungszeiten im Automotivebereich passiert danach oftmals für einige Monate gar nichts. Dann kann es auf einmal sehr schnell gehen: der Auftrag kommt. Das System erkennt den Artikel und führt alle Informationen zusammen, die im Neuteileprozess für Stammkunde A kundenspezifisch vorgesehen sind:

  • Kundenspezifische Bemusterungsrichtlinien: z. B. bei jedem Neuteil müssen prinzipiell 30 Rückstellmuster aufbewahrt werden.
  • Oberflächenspezifische Anforderungen: bei der Oberfläche handelt es sich um Zink blau nach Norm des Automobilkonzerns X. Dies bedeutet, dass in der Oberfläche nicht nur die Beschichtung Zink blau hinterlegt ist, sondern auch alle sonstigen Standards, die der Automobilkonzern an die Teilebeschichtung stellt.
  • Artikelspezifische Anforderungen: Hierzu zählen beispielsweise Normen oder Angaben, welche Prüfungen speziell für diesen Artikel vorzunehmen sind.

Mit einem kundenspezifischen Neuteilprozess ist sichergestellt, dass alle Anforderungen – ob gesetzlich, kunden- oder branchenseits – bereits ab dem ersten gelieferten Teil konsequent erfüllt sind. „Schnellschüsse, die noch nicht komplett anforderungskonform sind, sind zu teuer und schaden dem Image“, argumentiert Benner. „Unsere Kunden wollen ein Neuteil geliefert bekommen, an dem es nichts nachzubessern gibt, sondern das sie direkt ihrem Kunden präsentieren können.“
Mit automatisierten EMPB-Abläufen zu mehr Sicherheit

Jeder Galvanikunternehmer kennt das Leid nicht freigegebener EMPBs. Der Artikel ist beim Kunden zur Bemusterung, der EMPB liegt vor, kommt aber nicht unterschrieben zurück. Gleichzeitig ruft der Disponent des Kunden an und fordert die Lieferung von mehreren Tonnen des entsprechenden Artikels. „Früher hingen meine Mitarbeiter stundenlang an den Telefonen, um doch noch eine Freigabe für den EMPB zu erhalten, damit wir abgesichert in die Fertigung starten konnten“, erinnert sich Benner, „und das Risiko, ohne Freigabe mit der Fertigung zu starten, war einfach gegeben.“

Das Unternehmen hat seine EMPB-Prozesse aus diesem Grund automatisiert und zusätzliche systembedingte Zwangsführungen integriert. Sobald eine Mustercharge gefertigt ist, wird in OMNITEC ein Erstmusterprüfbericht erstellt und zusammen mit den Mustern an den Kunden versendet. Während das Qualitätsmanagement des Kunden die Muster noch prüft, werden nicht selten schon Aufträge für die Serie angeliefert. Hier setzt die Zwangsführung des Programms ein. Da der betreffende Artikel noch den Status „EMPB“ trägt, für die Serienfertigung also gesperrt ist, wird automatisch eine Sonderfreigabe-Mail an den Disponenten des Kunden versendet. Dieser hat es nun in der Hand, in der eigenen QM-Abteilung die Freigabe des EMPB voranzutreiben oder eigenständig eine Sonderfreigabe zu erteilen. Erst nach Erhalt der Freigabe geht der Auftrag dann in die Fertigung. Heute liegt die Freigaberate des Unternehmens bei 100 Prozent.

Auditierung inklusive

Übermäßige Aufregung vor anstehenden Audits gehören bei Ruhl dank des geschlossenen ERP-Systems inklusive Normenverwaltung und Qualitätsmanagement inzwischen der Vergangenheit an. Die von den Auditoren geforderte Prozessorientierung aller Geschäftsabläufe sowie deren Vernetzung sind im Programm dargestellt, die Transparenz zu produkt- und prozessrelevanten Informationen ist gegeben. Normänderungen sind dokumentiert, die Normkonformität der Artikel kann im Programm durch die Verknüpfung mit Prüfplänen und hinterlegten Normen belegt werden.

Bei aller Erleichterung, die mit dem Erfolg eines Audits einhergeht: Bei einem Unternehmen wie der Ruhl & Co. GmbH, die mehr als 5,4 Milliarden Teile pro Jahr fertigt und bei der 80 Prozent der Ware kundenseits einer 100%-Kontrolle unterworfen werden, ist konsequentes Qualitätsmanagement weit mehr als die Basis für erfolgreiche Audits. Es ist der Hebel, um bestmögliche Produktqualität zu erzielen und teure Reklamationen von vornherein auszuschließen.

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